Deutsches Unternehmen von Auftrag ausgeschlossen – wegen französischer Mutter

THALES Defence Deutschland leidet unter politischen Fehlgriffen

In Zeiten schrumpfender Militärausgaben in Deutschland, hat die Politik Wert darauf gelegt, dass sich die in Deutschland tätigen Rüstungsbetriebe europäisch organisieren. In der Vergangenheit wurde in diesbezüglichen Stellungnahmen immer wieder die Verantwortung der Unternehmen angemahnt, Umsätze auf internationaler Ebene zu erzielen, da der Umfang der künftigen Rüstungsaufträge im deutschen Markt das Überleben der Unternehmen allein auf dieser Basis nicht mehr sicherstellen kann. Gleichzeitig wird immer mehr von kundenbezahlten Auftragsentwicklungen auf mit Eigenmitteln vorfinanzierte Produkte umgestellt, bei denen keine Abnahme oder gar Mindeststückzahl mehr garantiert wird und oftmals wird gleichzeitig der abgesprochene Beschaffungszeitraum gestreckt oder geschoben. Gleichzeitig werden die Projektlaufzeiten für Systeme im Verteidigungsbereich immer geringer und die Systeme nehmen an Komplexität zu. Internationale Zusammenarbeit sichert im immer straffer werdenden Verteidigungsmarkt die fachliche Qualifikation und das wirtschaftliche Überleben.

THALES in Deutschland ist ein solches Beispiel eines Unternehmens im internationalen Verbund, das auf nationalem Parkett agiert und dabei seine deutsche Eigenständigkeit bewahrt hat. Im vergangenen Jahr hat THALES seine deutschen Verteidigungsaktivitäten in einem Unternehmen zusammengefasst um seine Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland weiter zu steigern. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche zivile Aktivitäten in Deutschland.

Der Markt für Militärelektronik in Deutschland ist verteilt, Zuwächse sind nur noch durch Verdrängung etablierter Partner zu erzielen. Das ist akzeptabel, wenn die Qualität der angebotenen Produkte über den zu erreichenden Marktanteil bestimmt. Wird durch politische Einflussnahme künstlich in dieses System eingegriffen, kommt es zu Auswirkungen auf Unternehmen und Wettbewerbsverzerrungen, bei dem die Beschäftigten nicht mehr durch ihre Leistung ihr Bestehen im Markt und den Erhalt ihrer Arbeitsplätze sicherstellen.

Mit einem solchen Vorgehen der politischen Seite wird zur Zeit THALES in Deutschland konfrontiert. Unter anderem wird an deren Standort Pforzheim zurzeit das modernste Truppenfunkgerät für die Bundeswehr, das so genannte Software Defined Radio (SDR) entwickelt. Die Arbeiten an dem JTRS/SCA kompatiblen Gerät wurden bisher mit Eigenmitteln in einem zweistelligen Millionenbetrag finanziert. Das Geld stammt aus deutschen Erträgen und aus Beträgen, auf welche die Mitarbeiter aus Pforzheim über einen Sanierungstarifvertrag verzichtet haben und die ausschließlich für die Entwicklung dieses Zukunftsproduktes SDR und somit zur Sicherung des Standortes Pforzheim gedacht sind. Bei dieser modernsten Generation von Truppenfunkgeräten lassen sich mittels so genannter „Wellenformen“ auf Softwarebasis verschiedene Truppenfunkgeräte darstellen und sogar problemlos die Interoperabilität zwischen internationalen Truppenverbänden sicherstellen. Leider haben die Eigenmittel hier eine hohe Belastung hinnehmen müssen, da der Beschaffungszeitraum schon heute um drei Jahre gestreckt wurde. Ein Vorhaben, das der Industrie Eigeninvestitionen bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit abverlangt, braucht aber ein Minimum an Stabilität.

An einer Breitbandwellenform zur Übertragung hoher Datenraten und Verschlüsselung der Übertragung besteht weiterer Bedarf von Kundenseite. Die Lösung dieser Vorgaben soll im Rahmen von durch den Kunden Bundeswehr beauftragten Studienarbeiten erfolgen. In der Regel werden solche Studien ausgeschrieben und die Vergabe nach Auswertung der Angebote vergeben. Auch Thales hat sich mit ihrem Standort Pforzheim an den Ausschreibungen zu den Studien „Breitbandwellenform“ und „Kryptologie“ beteiligt. Dies hätte im Entwicklungsbereich die Auslastung für das laufende und das nächste Jahr gesichert und die durch die kundenseitige Streckung des Projektes aufgetretenen Lücken bei den eingesetzten Eigenmitteln zum Teil ausgeglichen.

Groß war allerdings die Überraschung bei Belegschaft und Geschäftsleitung als über Veröffentlichungen in den Medien bekannt wurde, dass die Ausschreibung der Studien gestoppt sei und stattdessen die freihändige Vergabe der nunmehr zu einer einzigen Studie zusammengefassten Themen an ein deutsches Unternehmen erfolgen soll. Dieses sollte, wie gleichzeitig bekannt wurde, in keinem Fall Thales sein, denn als von ausländischem (französischem) Kapital beherrscht sei man nicht als deutsches Unternehmen anzusehen und somit könne keine Berücksichtigung erfolgen. Dies würde im Einklang mit einer Entscheidung des Sicherheitsrates stehen, der beschlossen habe, dass die beiden Studien nationale Sicherheitsinteressen berühren und eine Bearbeitung nur noch in deutschen Unternehmen erfolgen darf. Dabei sollte klar sein, dass eine international interoperable Breitbandnetzwellenform nicht Sache nationaler Geheimhaltung sein kann. Mit dieser Vergabepraxis wird in den freien Wettbewerb eingegriffen und ein Mitbewerber durch die einseitige Vergabe von Forschungsmitteln bevorzugt.

Dabei hat man gerade bei THALES heute und in der Vergangenheit unabhängig von ausländischen Kapitalbeteiligungen immer Wert darauf gelegt, dass die nationalen Interessen des Kunden Bundeswehr berücksichtigt werden. So ist an den deutschen Standorten neben den Mitarbeitern aus Deutschland auch das Management bis zur obersten Führungsebene Deutsch. Das Prinzip „German eyes only“ wurde über all die Jahre konsequent und durchgängig umgesetzt. Die Firma Thales hat bis heute Zulassungen bis in den Kryptobereich und hat sich auch dort als vertrauensvoller Partner und Systemlieferant des öffentlichen Auftraggebers bewährt. THALES beschäftigt insgesamt in Deutschland über 3500 Mitarbeiter in 20 verschiedenen nationalen Standorten.

Die Entscheidung gegen THALES hat bei der Belegschaft Bestürzung hervorgerufen, fühlt man sich mit der Einordnung als „ausländisches Unternehmen“ von den eigenen Politikern ausgegrenzt. Dabei erfüllte man die bisher geltenden Kriterien zur Unterscheidung zwischen inländischem und ausländischem Unternehmen: Ein deutsches Unternehmen ist, wer deutsche Mitarbeiter beschäftigt, in Deutschland tätig ist, deutsche Steuern zahlt und eine deutsche Führung hat, übrigens eine bisher nicht nur in Deutschland übliche Definition sondern auch zum Beispiel beim britischen MOD, dem Ministry of Defence, übliche national / ausländische Unterscheidung. Alle Bemühungen der Belegschaft und der Geschäftsleitung mit einem neuen und innovativen Produkt die Kommunikation der deutschen Streitkräfte auf den weltweit modernsten Stand zu bringen, wurden mit diesem Akt des Ausschlusses ad Absurbum geführt. Es sind deutsche Arbeitnehmer die durch diesen politischen Entschluss um ihre Arbeitsplätze fürchten müssen und deren in einem Sanierungstarifvertrag ausgehandelter Verzicht auf Millionenbeträge, zugunsten dieses neuen Produktes, in den Mühlen der Politik zermahlen werden. Sollte das politische Vorgehen zu Arbeitslosigkeit von Mitarbeitern in Pforzheim führen, so trifft dies Mitarbeiter in einer Region, die nach Mannheim die höchste Arbeitslosigkeitsquote in Baden Württemberg aufweist.

THALES wollte bei der Einführung der neuen Gerätetechnologie eine breite Zusammenarbeit der deutschen Rüstungsfirmen in einem Systemhaus SDR initiieren und im Schulterschluss mit BSI und IT – Amt Sicherheitsfragen gemeinsam lösen. Ohne Not wurde von politischer Seite der Weg zu einer Zusammenarbeit der auf diesem Gebiet tätigen Industrieunternehmen versperrt und eine einheitliche Sicherheitsarchitektur wird nicht entwickelt. THALES hat als einziges europäisches Unternehmen bereits vor über vier Jahren mit der Entwicklung eines SCA – kompatiblen SDR begonnen und dabei eine von den USA unabhängige SCA – kompatible Softwareplattform entwickelt. Die SEM93 – Wellenform wurde bereits auf funktionsfähigen, produktnahen Prototypen demonstriert.

Armin Burger
Betriebsrat
THALES Defence Deutschland GmbH

 

Abkürzungen:

SDR Software Defined Radio
JTRS Joint Tactical Radio System
SCA Software Communication Architecture
BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
IT – Amt (Bw) Bundesamt für Informationsmanagement und Informationstechnik

1 Gedanke zu „Deutsches Unternehmen von Auftrag ausgeschlossen – wegen französischer Mutter“

Kommentare sind geschlossen.