Fragen zur Bundestagswahl – Die Antworten der Parteie Bündnis90/DIE GRÜNEN

Bundestagswahl 2017Antworten der Partei Bündnis90/DIE GRÜNEN

Am Sonntag, 24. September 2017 ist Bundestagswahl.

Wie bei den vergangenen Wahlen möchte der WLR-AK auch dieses mal von den Spitzenkandidaten der demokratischen Parteien wissen, was sie während ihrer möglichen Amtszeit für die Wehrtechnik, die Luft- und Raumfahrt planen. Dazu haben die Mitglieder des WLR-AK Fragen formuliert und in der letzten Mitgliederversmmlung abgestimmt.

Hier können Sie die Antworten auf unsere Fragen nachlesen:

 

1. Welche wirtschaftliche und strategische Bedeutung hat nach Ihrer Ansicht die Luft‐ und Raumfahrt und insbesondere die wehrtechnische Industrie für Deutschland?

Die Luft- und Raumfahrtindustrie ist nicht zuletzt im zivilen Bereich ein wichtiger Technologieführer. Hier sehen wir insbesondere im Bereich der Reduzierung von Schadstoff- und Lärmemissionen großen Innovationsbedarf. Die wehrtechnische Industrie ist insbesondere für die Deckung des Bedarfs von Polizei und Bundeswehr und die multinationale Zusammenarbeit in Europa von großer Bedeutung.

2. Welche Maßnahmen werden Sie zur nachhaltigen Sicherung der Technologie und der damit verbundenen Arbeitsplätze in der verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Industrie in der kommenden Legislaturperiode einleiten?

Kapazitäten auf dem deutschen und europäischen Rüstungsmarkt können unseres Erachtens nicht dadurch nachhaltig erhalten werden, dass man auf der einen Seite hinsichtlich der nationalen Beschaffungen eine protektionistische Politik verfolgt und auf der anderen Seite die Schwellen für den Export in Staaten außerhalb der EU und NATO senkt. Es bedarf einer wesentlich besseren Koordinierung, Konsolidierung und Zusammenlegung in Europa.
Mit Initiativen zur stärken Kooperation im Verteidigungsbereich auf EU-Ebene sowie zwischen EU und NATO wurden richtige Schritte angestoßen, um zu einer Harmonisierung der Beschaffung und zum Abbau von Überkapazitäten zu gelangen.

3. Die deutsche wehrtechnische Forschung und Entwicklung ist weltweit anerkannt. Wie werden Sie sicherstellen, dass dieses Wissen künftig gehalten und weiter ausgebaut werden kann?

Die deutsche wehrtechnische F&E ist in bestimmten Segmenten gut aufgestellt, in anderen gibt es aber auch technologische Lücken. Die staatlich geförderte Forschung muss sich am absehbaren Bedarf und an strategischen Prioritäten orientieren. Angesichts der knappen Haushaltsmittel und des technologischen Vorsprungs anderer Nationen sind auch multilaterale Forschungs- und Entwicklungsprojekte anzustreben.

4. Wie kommt man in Europa zu vergleichbarem Niveau bei Forschung und Technologie, incl. der Höhe von F&T aber auch der möglichen steuerlichen Förderung von F&T, wie es sie in anderen Nationen bereits gibt?

Unser Ziel ist, dass bis 2025 mindestens 3,5 Prozent des BIP gesamtstaatlich in Forschung und Entwicklung investiert werden. Dafür wollen wir u.a. eine steuerliche Forschungsförderung für KMU einführen.

5. Wie stehen Sie zur Verlängerung bzw. Erweiterung des Förderprogramms des BMWi zur Unterstützung von Diversifizierungsstrategien in zivile Sicherheitstechnologien?

Wenn Verteidigungsunternehmen ihre Produktpalette verändern wollen, bieten sich temporär Übergangshilfen an. Zivile Sicherheitstechnologien sind aber ein Markt mit großem Wachstums- und Gewinnpotential. Sie sollten daher strukturell auch ohne Förderprogramme wirtschaftlich sein.

6. Durch Umstrukturierungen, Fusionen und dem daraus resultierenden Personalabbau verlieren die deutschen sicherheits- und wehrtechnischen Unternehmen zunehmend auch Fähigkeiten im komplexen Systemgeschäft. In welcher Weise werden Sie am Innovationsstandort Deutschland die Systemfähigkeiten unserer Betriebe unterstützen und fördern?

Börsennotierte Unternehmen und Systemführer nehmen häufig keine Rücksicht auf die Beschäftigten und nationale Interessen. Wir setzen auf bessere Bedingungen für alle Unternehmen und wollen mindestens zwölf Milliarden Euro zusätzlich investieren, z.B. in moderne Infrastruktur und Mobilität, in Bildung, Forschung und Innovation. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen wollen wir gezielt fördern mit einem steuerlichen Forschungsbonus und unbürokratischen Regeln z.B. bei Abschreibungen und Umsatzsteuer.

7. Wie kommen wir in Europa zu einem einheitlichen Exportstandard? Eine Beibehaltung des heutigen Status führt zu signifikanten Wettbewerbsnachteilen der Deutschen Industrie.

Die deutsche Rüstungsindustrie ist trotz der vermeintlichen Wettbewerbsnachteile durch strenge Rüstungsexportauflagen eine der exportstärksten der Welt. Statt einer informellen Aufteilung der Märkte ist eine Angleichung der europäischen Exportpraxis wünschenswert. Wir setzen auf eine abgestimmtere und striktere Einhaltung des EU-Gemeinsamen Standpunkts für Rüstungsexporte. Dazu müssen die vorgesehenen Konsultationsgremien und –prozesse genutzt und eingehalten werden. Eine Angleichung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner kann nicht das Ziel sein. Je mehr die Industrien – gerade auch die Rüstungsindustrie – in Europa zusammenarbeiten, desto einheitlicher und strenger muss das Ausfuhrregime werden.

8. Die Mittel des Bundes für Beschaffungen im wehrtechnischen Bereich sind begrenzt. Daher ist der Export von wehrtechnischen Gütern für die Unternehmen der Branche von existenzieller Bedeutung. Wie werden Sie nachhaltig den Entscheidungsprozess für Exporte verbessern, um die für die Unternehmen notwendige Planbarkeit und Verlässlichkeit sicherzustellen?

Mittel sind immer begrenzt. Nach Ihrer Argumentation müsste der Exportdruck deutlich gesunken sein. Denn gerade die Verteidigungsausgaben sind in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gestiegen. Die mittelfristige Finanzplanung sieht weitere Steigerungen vor, auch im EU- und NATO-Kontext. Wir begrüßen eine stärkere Zusammenarbeit in EU- und NATO. Aber Exportgenehmigungen von Rüstungsgütern außerhalb von NATO und EU müssen strengen Kriterien unterliegen, damit sie nicht in problematischen Endempfängerländern landen und damit den Frieden und die Sicherheit in der Region – und letztendlich auch bei uns – gefährden. Dazu wollen wir bestehende Regelungen und Kriterien in einem einheitlichen Rüstungsexportkontrollgesetz zusammenführen und verbindlich regeln.

9. Bedingt durch die Agenda Rüstung ist es zu Verzögerungen bei der Beauftragung von Rüstungsprojekten gekommen. Wie kann eine erneute Verzögerung in der kommenden Legislaturperiode vermieden werden?

Verzögerungen entstehen an vielen Stellen, nicht zuletzt auch dadurch, dass die Industrie ihre Zusagen technisch, zeitlich und finanziell nicht einhalten kann. Das Bundesministerium der Verteidigung muss die begrenzten personellen Ressourcen (u.a. Vertragsjuristen, technisches Personal im BAAINBw) zur Planung und Durchführung von Rüstungsprojekten berücksichtigen, wo möglich ausbauen und bestehende Beschaffungsvorhaben besser priorisieren. Zudem muss die Mittel- und Langfristplanung im Beschaffungsbereich verbessert werden.

10. Welche konkreten Maßnahmen sollten ergriffen werden, um die Zusammenarbeit innerhalb der NATO zu stärken, insbesondere auch die deutsch-französische Partnerschaft. Ist in diesem Zusammenhang die Vereinbarung eines „Schmidt-Debré-Abkommens 2.0“ denkbar, um sich im Rahmen der Rüstungsexportpolitik zukünftig nicht gegenseitig zu behindern/blockieren (Stichwort „German free“)?

Wir wollen durch eine vertiefte Zusammenarbeit vorrangig die europäische Säule in der NATO stärken und erreichen, dass es in der transatlantischen Rüstungskooperation einen fairen Zugang konkurrenzfähiger Produkte zum US-Markt gibt. Bei binationalen Abkommen ist entscheidend, dass die Partner die gleichen außen-, sicherheits- und friedenspolitischen Prioritäten haben und gewährleistet ist, dass auf substanzielle Interessen des anderen Partners Rücksicht genommen wird. Es geht letztendlich nicht um einen Freifahrtschein für jegliche Rüstungsexporte, sondern um eine friedens- und menschenrechtspolitisch verantwortbare Politik.

11. Wie stehen Sie zu den derzeitigen Bemühungen der Europäischen Kommission im Bereich Verteidigung und Sicherheit?

Wir begrüßen Schritte zur Vertiefung der Kooperation der EU-Mitgliedstaaten im Verteidigungsbereich, um bspw. eine gemeinsame militärische Planung und eine gemeinsame Beschaffungspolitik zu erreichen. Die Umwidmung von Geldern aus dem EU-Haushalt, die für zivile Stabilisierungsmaßnahmen vorgesehen sind, zur Finanzierung von Rüstungsforschung sowie des EU-Programms zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich lehnen wir ab. Die zivilen Projekte dürfen unter einer verstärkten Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich nicht leiden.

12. Welche nationalen Ziele verfolgen Sie bei der Konsolidierung der europäischen Industrie für Verteidigung und Sicherheit? Kann mit aktiver Unterstützung von Ihrer Seite gerechnet werden?

Es bedarf einer wesentlich besseren Koordinierung, Konsolidierung und Zusammenlegung im Verteidigungsbereich in Europa. Voraussetzung hierfür ist u.a. eine Verständigung über den Bedarf aber auch den Erhalt von Schlüsselfähigkeiten und Wertschöpfungen in den verschiedenen Ländern. Bei staatlichen Rüstungsunternehmen und kleinen/mittleren Unternehmen mag das einfacher zu steuern sein als bei großen multinationalen Rüstungsunternehmen. Eine Verkleinerung der Rüstungsindustrie muss aber nicht zwangsläufig mit der Aufgabe von Hochtechnologie und Arbeitsplätzen verbunden sein.

13. Wie stellen Sie sicher, dass auch in Zukunft das Know-how in Deutschland zur erhalten bleibt, insbesondere, wenn man die Langlebigkeit der wehrtechnischen Produkte betrachtet? Beispielsweise auf diesen Gebieten:
Instandhaltung/Wartung
Obsoleszenzbeseitigung
Kampfwertsteigerung

Industrie und Bundeswehr müssen bei künftigen Beschaffungsprojekten und deren vertraglichen Ausgestaltung wieder mehr die Kosten für Wartung/Instandhaltung und Obsoleszenzbeseitigung mitdenken und dafür vertraglich Vorsorge treffen. Dies diente nicht nur der längerfristigen Sicherung von wehrtechnischem Know-How sondern auch der Absicherung der Einsatzbereitschaft der in die Bundeswehr eingeführten Waffensysteme.