FDP – Antworten zu den “Wahlprüfsteinen” zur Bundestagswahl 2013

Die Antwort der Freie Demokratische Partei Deutschlands (FPD)

  • Welche wirtschaftliche und strategische Bedeutung hat nach Ihrer Ansicht die Luft‐ und Raumfahrt und insbesondere die wehrtechnische Industrie für Deutschland?

    Die Luft- und Raumfahrtindustrie ist nicht zuletzt im zivilen Bereich ein wichtiger Technologieführer. Hier sehen wir insbesondere im Bereich der Reduzierung von Schadstoff und Lärmemissionen großen Innovationsbedarf. Die wehrtechnische Industrie ist insbesondere für die Deckung des Bedarfs von Polizei und Bundeswehr und den Erhalt/Aufbau von Schlüsselfähigkeiten von großer Bedeutung. Der wirtschaftliche Stellenwert der wehrtechnischen Industrie – auch im militärischen Luftfahrtbereich ist im Gesamtmaßstab – verglichen z.B. mit der Autoindustrie oder dem Maschinenbau – eher gering.

  • Welche Maßnahmen werden Sie zur nachhaltigen Sicherung der Technologie und der damit verbundenen Arbeitsplätze in der Wehrtechnik, Luft‐ und Raumfahrt in der kommenden Legislaturperiode einleiten? Bis wann und wie werden Sie die deutschen Exportrichtlinien an die aktuellen europäischen Exportvorgaben anpassen?

    Kapazitäten auf dem deutschen und europäischen Rüstungsmarkt können unseres Erachtens nicht dadurch nachhaltig erhalten werden, dass man auf der einen Seite hinsichtlich der nationalen Beschaffungen eine protektionistische Politik verfolgt und auf der anderen Seite die Schwellen für den Export in Staaten außerhalb der EU und NATO senkt. Wichtiger ist es unseres Erachtens, dass der Markt im Bündnis, nicht zuletzt der Zugang zum US-Rüstungsmarkt, stärker geöffnet wird.
    Mit der Europäischen Verteidigungsagentur und den Smart Defense/ Pooling & Sharing Initiativen von EU und NATO wurden richtige Schritte angestoßen, um zu einer Harmonisierung der Beschaffung und zum Abbau von Überkapazitäten zu gelangen. Bei der Umsetzung gibt es jedoch noch erheblichen Handlungsbedarf. Es bedarf einer wesentlich besseren Koordinierung, Konsolidierung und Zusammenlegung in Europa. Voraussetzung hierfür ist u.a. eine Verständigung über den Bedarf. Eine Verkleinerung der Rüstungsindustrie muss dabei nicht zwangsläufig mit der Aufgabe von Hochtechnologie, Arbeitsplätzen und Wachstum verbunden sein.
    Unsere Antwort auf den zweiten Teil dieser Frage ist in Antwort 12 enthalten.

  • Die Mittel des Bundes für Beschaffungen im wehrtechnischen Bereich sind sehr begrenzt, die Stückzahlen entsprechend niedrig. Daher ist der Export von wehrtechnischen Gütern für die Unternehmen der Branche von besonderer Bedeutung. Wie werden Sie nachhaltig die Exportmöglichkeiten für die deutschen wehrtechnischen Unternehmen vereinfachen, verbessern und beschleunigen?

    Wir werden die Exportmöglichkeiten für die wehrtechnischen Unternehmen, soweit es um Exporte außerhalb der EU und NATO geht, weder vereinfachen, noch verbessern oder beschleunigen. Das ist aus unserer Sicht friedens- und sicherheitspolitisch unverantwortlich.
    Der Export von wehrtechnischen Gütern ist zu Recht ein sehr sensibles Thema, weil diese Güter noch lange nach ihrem Export Bestand haben und vorhersehbare Gefahren durch Weitergabe und Missbrauch entstehen können. Kapazitäten, die nur durch den Export an problematische Endempfänger aufrechterhalten werden können, sind nicht nachhaltig und zukunftsweisend. Beschäftigungspolitische Gründe sind für uns kein Grund, an Regierungen zu liefern, die eine Bedrohung für die die eigene Bevölkerung oder den Frieden in der Region sind.
    Die Rüstungsindustrie klagt seit Jahrzehnten über vermeintlich zu restriktive Rüstungsexportregeln in Deutschland. Fakt ist: Seit Jahren gehört Deutschland zu den weltweit führenden Rüstungslieferanten. Das wäre in der Regel kein Problem, wenn die Exporte an Bündnispartner gingen. Leider nehmen aber die Exporte in politisch bedenkliche Drittstaaten, wie etwa an Saudi-Arabien, Indonesien, Pakistan und andere Krisenregionen zu. Laut der Politischen Grundsätze der Bundesregierung sind Kriegswaffenexporte an Nicht-Bündnispartner grundsätzlich verboten und nur ausnahmsweise erlaubt. Das Parlament erhält vorab keine Informationen und Kontrollmöglichkeiten, gleichzeitig sollen Abgeordnete Entscheidungen der Regierung gegenüber Bürgerinnen und Bürgern erläutern können. Die Exportpolitik der schwarz-gelben Regierung steht deshalb zu Recht in der Kritik.
    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen diese Politik dahingehend verändern, dass die politischen Richtlinien rechtsverbindlich und streng eingehalten werden. Nach dem Grundgesetz entscheidet die Bundesregierung über Kriegswaffenausfuhren, nicht ein geheim tagender Kabinettsausschuss. Rüstungsexportentscheidungen sollen deshalb nicht mehr im geheimen tagenden Bundessicherheitsrat stattfinden, sondern vom Bundeskabinett als Ganzes entschieden werden. Es muss mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle geben. Der Bundestag soll frühzeitig über anstehende Lieferungen unterrichtet werden.
    Insgesamt wollen wir die Rüstungsexportpolitik deutlich restriktiver handhaben als die derzeitige Regierung. Das bedeutet nicht den kompletten Verzicht auf sämtliche Rüstungsexporte, aber eine enge Auslegung des Friedensgebots nach Art. 26 Grundgesetz.

  • Die deutsche wehrtechnische Forschung und Entwicklung ist weltweit führend und anerkannt. Wie werden Sie sicherstellen, dass dieses Wissen auch künftig gehalten und ausgebaut werden kann?

    Technologische Innovationen gehen heutzutage oft von zivilen Forschungs- und Entwicklungsprojekten aus, die dann auf militärische Anwendungsgebiete hin angepasst werden. Unser Ziel ist es, bis 2020 mindestens 3,5 Prozent des BIP gesamtstaatlich für Forschung und Entwicklung auszugeben und eine KMU-fokussierte steuerliche Forschungsförderung einzuführen. Die deutsche wehrtechnische Forschung und Entwicklung ist in bestimmten Segmenten gut aufgestellt, in anderen Bereichen gibt es technologische Lücken. Die staatlich geförderte Forschung muss sich am absehbaren Bedarf orientieren. Angesichts der knappen Haushaltsmittel und des technologischen Vorsprungs anderer
    Nationen sind auch multilaterale Forschungs- und Entwicklungsprojekte anzustreben.

  • Durch den steten Personalabbau verlieren die deutschen wehrtechnischen Unternehmen zunehmen auch Fähigkeiten im komplexen Systemgeschäft. In welcher Weise werden Sie am Innovationsstandort Deutschland die Systemfähigkeiten der WLR Betriebe erhalten, unterstützen und fördern?

    Über die Frage, welche wehrtechnischen Bereiche zu den Kernbereichen gehören, in denen Deutschland die Systemfähigkeit auf jedem Fall erhalten muss, erhält man von der Heeres-, Marine- oder Luftfahrtindustrie naturgemäß sehr subjektive Antworten. Auch innerhalb der Bundesregierung und des BMVg gibt es keine einhellige Auffassung. Stattdessen propagiert man einen „Breite-vor-Tiefe“ Ansatz.
    Grüne Industriepolitik fokussiert auf die notwendigen Rahmenbedingungen und die Förderung des ökologischen Umbaus der gesamten Industrie. Wir wollen die Investitionsund Innovationskraft kleiner Unternehmen unabhängig von der Branche fördern. Dazu werden wir Forschung und Entwicklung steuerlich fördern, die Steuerbegünstigung einbehaltener Gewinne verbessern und unnötige bürokratische Regelungen abbauen.

  • Welche Strategie wollen Sie in Zukunft im Bezug auf Offset Geschäfte im wehrtechnischen Bereich einschlagen?

    Wir wollen Offset-Geschäften ein Ende bereiten. Eine gute Voraussetzung hierfür ist der Code-of-Conduct der Europäischen Verteidigungsagentur, in dem sich die beteiligten Länder gegen marktverzerrende Offset-Geschäfte ausgesprochen haben.

  • Wie werden Sie in der nächsten Legislaturperiode insbesondere den deutschen Mittelstand bei der Vergabe von europäischen Fördermitteln für Forschungs‐ und Entwicklungsvorhaben im sicherheitstechnischen Bereich unterstützen?

    Aufgrund unserer Kompetenzordnung obliegt die Vergabe den entsprechenden EUInstitutionen. Branchenunabhängig unterstützen wir jedoch den deutschen Mittelstand, wenn es um die Einwerbung von Fördermitteln geht.

  • Wo sehen Sie im europäischen Verbund die Kernkompetenzen der deutschen wehrtechnischen Industrie in Bezug auf Forschung, Entwicklung und Produktion?

    Deutschland hat traditionell insbesondere im Marinebereich, im Bereich gepanzerter Fahrzeuge und im Kleinwaffenbereich Produkte, die ständig weiterentwickelt und international nachgefragt werden. Im Vergleich dazu kommt es insbesondere im Luftfahrtbereich (Eurofighter, A400M, NH90/MH90, MEADS, Euro Hawk) immer wieder zu schwerwiegenden und kostspieligen Problemen, die darauf hindeuten, dass dieser Bereich noch nicht zu den europäischen und deutschen Stärken zählt.

  • Wie stehen Sie zu einer deutschen Teilnahme an internationalen innovativen “Leuchtturmprojekten“ in der Raumfahrt?

    Für die Raumfahrt stehen inklusive der Grundfinanzierung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) 2013 über 1,24 Mrd. Euro zur Verfügung. Das ist der größte Einzeltitel und über die Hälfte der Gesamtausgaben für Innovation und neue Technologie. Wir wollen die Bereiche stärken, die zum Erreichen strategischer und gesellschaftlicher Ziele besonders beitragen. Dazu zählen wir die Bereiche Erdbeobachtung, Satellitenkommunikation und Satellitennavigation. Internationale Leuchtturmprojekte sollten europäisch koordiniert und unter dem Dach der ESA durchgeführt werden.

  • Im EU Vertrag Art. Nr. 42 ist zu lesen, Zitat: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“.
    Wie werden Sie mit der künftigen Bundesregierung gewährleisten, dass unter Einbeziehung der deutschen wehrtechnischen Industrie und Forschung dieser Vertrag erfüllt wird?

    In den meisten Kommentaren wird dies als „politische Absichtserklärung“ verstanden. Wir verstehen diesen Absatz so, dass es nicht vorrangig darum geht, die nationalen sondern die europäischen Fähigkeiten im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu verbessern. Für eine derartige Koordination und Harmonisierung sprechen sich die Grünen schon lange aus. In Anbetracht der Tatsache, dass 12 von 16 GSVP-Missionen ziviler Art sind, wird es darauf ankommen, diesen Bereich der GSVP nicht zu vernachlässigen und dort handlungsfähig zu sein, wo Bedarf besteht. Es geht um den richtigen Mix von militärischen UND zivilen Mitteln. Wir sehen den komparativen Vorteil der EU in seinen zivilen Instrumenten und wollen ein ausgewogenes Verhältnis des gesamten Instrumentenkastens. Eine einseitige Bevorzugung der militärischen Seite wird es mit uns nicht geben. Das entspricht nicht den Anforderungen modernen Konflikte. Vielmehr bedarf es eines Ausbaus von polizeilichen, juristischen und verwaltungstechnischen Kapazitäten ebenso wie der Mediation. Hier wollen wir Schwerpunkte setzen.

  • Wie sehen Sie die Entwicklung des Wehretats ab 2016 in Bezug auf Beschaffungsaufträge für die wehrtechnische Industrie?

    Die aktuelle Finanzplanung sieht für 2014 33 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben vor. Damit legt der Verteidigungsetat weiter zu und ist fern von den ursprünglichen Zielen, 8,3 Milliarden Euro einzusparen und damit zur notwendigen haushaltspolitischen Konsolidierung beizutragen, entfernt. Die Notwendigkeit der Bundeswehrreform wurde immer auch haushaltspolitisch begründet. Der Verteidigungsetat erreicht damit ein für uns GRÜNE inakzeptables neues Rekordniveau, obwohl die Wehrpflicht ausgesetzt und Personal abgebaut wurde. Der Abbaupfad des Verteidigungshaushaltes sieht zwar eine Reduzierung vor. Von einem viel zu hohen Betrag ausgehend, wird er 2016 jedoch noch nicht einmal wieder das Niveau von heute erreichen. Von der eigenen Sparvorgabe hat sich die Bundesregierung meilenweit entfernt und ist an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert.
    Angesichts der finanziellen Zwänge führt kein Weg daran vorbei: Auch in der Verteidigung muss und kann substanziell gespart werden. Dies wird auch die wehrtechnische Industrie treffen.

  • Bis wann und wie werden Sie die deutschen Exportrichtlinien an die europäischen Exportvorgaben anpassen?

    Wenn mit europäischen Exportvorgaben die EU-Richtlinien 2009/43/EG und 2009/81/EG gemeint sind, so sind diese 2011 in deutsches Recht überführt worden. Der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP vom 8. Dezember 2008 ist der derzeitige Minimalkonsens innerhalb der EU. Er ist Bestandteil der Politischen Grundsätze der Bundesregierung.
    Das Rüstungsexportkontrollregime der EU hat – wie alle Bereiche mit verteidigungspolitischem Bezug – eine geringe Verbindlichkeit. Der Anwenderleitfaden ist nur ein schwaches Hilfsmittel, die Kohärenz zu verbessern. Dass die deutschen Rüstungsexportrichtlinien restriktiver wären, ist eine Mär. Die Exportpraxis zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Deutschland ist der größte Rüstungsexporteur in Europa. Es gibt Rüstungsexporte, die von anderen Ländern abgelehnt – von der Bundesregierung jedoch
    genehmigt wurden.
    Die Politischen Grundsätze sind nicht rechtsverbindlich. Wir wollen dem Nebeneinander von rechtlichen Regelungen wie dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz sowie den unverbindlichen Grundsätzen ein Ende bereiten, indem wir ein Rüstungsexportkontrollgesetz einführen.