WLR bei gemeinsamer Podiumsdiskussion mit WPA

München, 27.02.2004. Auf Einladung des Wehrpolitischen Arbeitskreises (WPA) der CSU nahem Vertreter des WLR an einer Diskussionsveranstaltung in der Landesleitung der CSU in München teil.

Gemeinsame Erklärung
Wehr- und Sicherheitspolitischer Arbeitskreis der CSU (WPA)
und
Arbeitskreis der Betriebsräte in Wehrtechnik, Luft- und Raumfahrt (WLR)

WLR-AK und WPA der CSU
Betriebsräte diskutieren mit Politikern. Im Bild v.l.n.r.: Bruno Bertsch (Br-Vorsitzender Eurocopter in Ottobrunn), Markus Bräunlein (2. Sprecher WLR und Betriebsrat Fa. AOA in Gauting), Andreas Knoll (1. Sprecher WLR und Betriebsrat EADS Deutschland GmbH in Unterschleißheim), Hans Raidl MdB (Mitglied im Verteidigungsausschuss und Vorsitzender des WPA), Alexander Radwan MdEP und Jochen Weder (Betriebsrat Eurofighter GmbH in Hallbergmoos)

Anlässlich einer gemeinsamen Arbeitssitzung am 27. Februar 2004 in München
In einem offen geführten Meinungsaustausch haben WPA und WLR Übereinstimmung in der Beurteilung der gegenwärtigen Lage der deutschen Wehrtechnik festgestellt und einen gemeinsamen Forderungskatalog verabschiedet:

  • Nationale industrielle Rüstungskompetenz liefert neben einsatz- und kooperationsfähigen Streitkräften den entscheidenden Beitrag für eine glaubwürdige Sicherheits- und Bündnispolitik. Die Wehrtechnik ist das zweite Standbein der Sicherheitspolitik. Insofern ist die nationale industrielle Rüstungsbasis nicht ein Industriezweig wie jeder andere, sondern hat eine besondere industrielle Kompetenz, welche die Unabhängigkeit materieller Verteidigungsfähigkeit unterstreicht, die Kooperationsfähigkeit im Bündnis sichert und damit nationale Handlungsfähigkeit, sprich Souveränität, beweist. Bei der nationalen industriellen Rüstungsbasis handelt es sich also um eine klassische strategische Industriesparte, die aufgrund ihrer Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit Einfluss und Gewicht der Bundesrepublik Deutschland in EU, NATO und auf internationaler Ebene wesentlich mitbestimmt.
  • Die deutsche wehrtechnische Industrie hat seit 1990 bis heute 70% ihres Personals (von 280.000 auf unter 80.000 Mitarbeiter) sozialverträglich abgebaut. Dieser Konsolidierungsaufwand von etwa 10 Mrd. Euro wurde von der Industrie erbracht, ohne dass – wie bei Kohle und Stahl – nach staatlicher Unterstützung gerufen wurde. In Deutschland – anders als in Frankreich, Großbritannien, Italien oder Spanien – stand die Strukturbereinigung in der wehrtechnischen Industrie nie unter dem Schutz der öffentlichen Hand. Schlüsseltechnologien und Kernkompetenzen wanderten ab; viele Firmen mussten Betriebsstätten stilllegen und den wehrtechnischen Bereich ganz aufgeben.
  • Das rüstungstechnologische Investitionsgefälle zwischen Amerika und Europa ist bekannt. Weniger bekannt, aber ebenso eklatant ist die Investitionslücke zwischen Deutschland auf der einen sowie Frankreich und Großbritannien auf der anderen Seite. Während London und Paris heute zusammen rund 75% des europäischen militärischen Forschungs- und Entwicklungsbudgets stellen, liegt der deutsche Anteil bei lediglich 14%.
  • Wehrtechnik ist ohne die Unterstützung politischer Entscheidungs- und Mandatsträger nicht möglich, weder im eigenen Land, wo der Staat als Monopolnachfrager auftritt, noch im Export, der über nationale Gesetze geregelt wird. Gerade die Exportmärkte gewinnen angesichts eines kleinen nationalen Rüstungsgütermarktes, verbunden mit der Einschränkung von Stückzahlen in zahlreichen Beschaffungsvorhaben, eine immer größere Bedeutung für die Erhaltung der europäischen Rüstungsindustrie.
  • Die Pflege der deutschen Wehrtechnik müsste auch aus haushaltspolitischen Gründen im nationalen Interesse liegen: Bis zu 70% der Beschaffungskosten im wehrtechnischen Bereich fließen in Form von Steuern und Abgaben an den Staat zurück, wenn die Wertschöpfung im eigenen Land stattfindet.
  • Neben der Verwirrung, die durch die Privatisierungsvorhaben der Bundeswehr entstanden ist, bereitet vor allem die akute Geldnot im Verteidigungshaushalt große Probleme. Die Bundeswehr ist dabei momentan kein zuverlässiger Partner der Industrie.
  • Mit dem Argument, die deutsche wehrtechnische Industrie vor dem Ausverkauf durch ausländische Investoren schützen zu wollen, hat sich die Regierung mit einem Veto-Recht ausgestattet: Danach kann die Bundesregierung Einspruch erheben, wenn mehr als 25% eines deutschen Rüstungsunternehmens an ausländische Investoren verkauft werden sollen. Diese Regelung wird der Rüstungsindustrie jedoch kaum weiterhelfen, denn sie bedeutet lediglich eine weitere Reglementierung und kann eine aktive politische Unterstützung nicht ersetzen.

Der WPA und der WLR fordern:

  1. Die Industrie braucht bessere Rahmenbedingungen, ausreichende Investitionen in Forschung und Entwicklung und eine verlässliche Auftragslage.
  2. Bundeswehr und Verteidigungswirtschaft brauchen Planungssicherheit im Verteidigungshaushalt mit massiven Steigerungen des investiven Anteils. Dies sollte auch zu einer allmählichen Annäherung an die eingegangen NATO-Verpflichtungen für den Anteil der Verteidigungsausgaben am BIP führen.
  3. Deutliche Steigerung der Budgets für militärische Forschung und Technologie auf der Basis einer europäisch abgestimmten Technologiestrategie. Es ist kurzsichtig, nicht in Zukunftstechnologien zu investieren, denn Forschungsinvestitionen sichern volkswirtschaftliche Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit und damit die Arbeitsplätze der Zukunft. Zur Koordination und effektiven Steuerung aller europäischen Vorhaben in Forschung, Entwicklung und Beschaffung ist eine europäische Agentur für Beschaffung und strategische Forschung mit Budget- und Vergabekompetenz einzurichten. Diese könnte auf Basis und unter Einbeziehung bestehender und bewährter europäischer Einrichtungen (z.B. OCCAR) gebildet werden.
  4. Harmonisierung der Exportrichtlinien für Rüstungsgüter als EU-Richtlinie. Nur so lassen sich grenzüberschreitende Kooperationsprogramme und fairer Marktzugang für deutsche Firmen auf eine langfristig gesicherte Grundlage stellen.

Fazit:

Die Bundesregierung als öffentlicher Auftraggeber ist gefordert, sich auf ihre Verantwortung für die nationale wehrtechnische Industrie zu besinnen, indem sie notwendige Beschaffungsentscheidungen zeitgerecht trifft und ausreichende finanzielle Ressourcen bereitstellt.

München, 27. Februar 2004