Ohne wehrtechnische Industrie gibt es keine Sicherheit

Zusammenfassung der 3. WLR-Mitgliederversammlung 2004

Zur 3. Mitgliederversammlung 2004 ist der Arbeitskreis der Betriebsräte in Wehrtechnik, Luft-und Raumfahrt (AK-WLR) am 16. Sepember 2004 in der Firma Bodenseewerk Gerätetechnik, einem Unternehmen der Diehl VA Systeme, Überlingen, zusammengekommen.

WLR-AK zu Gast bei BGT am Bodensee
WLR-AK zu Gast bei BGT am Bodensee mit Dr. Andreas Schockenhoff

Situation in den Mitgliedfirmen

Nach wie vor sind Auftragslage und Zukunftsaussichten in den WLR-Mitgliedsfirmen unterschiedlich. Während die Forschungsbereiche, insbesondere die staatlich geförderten Institutionen derzeit noch eine gute Auftragslage vermelden können, plagen die Betriebe mit militärischem Kerngeschäft stetig sinkende Auftragseingänge. Demzufolge beherrscht die Angst vor Kurzarbeit, Personalabbau und Standortschließungen die Arbeit der Betriebsräte. Insbesondere die Reduzierung der Tornado-Flotte und die Verzögerungen bei der Beauftragung des Eurofighters wirkt sich in allen Betrieben negativ aus. Auch die Munitionsindustrie beklagt zum Teil heftige Auftragsrückgänge.

Ein ganz anderes Problem steht in der Hubschrauberproduktion an. Hier beginnt die Serienproduktion verschiedener Typen. Es droht die Verlagerung von Fertigungseinheiten ins Ausland, da hierzulande die Produktionskapazitäten fehlen. Die Ursache ist der stete Personalabbau in den vergangenen Jahren.

Trotz einiger neuer Aufträge wird im Bereich Raumfahrt nach wie vor die Personalreduzierung vorangetrieben. Insgesamt ist die Auftragslage nicht ausreichend, um den Personalabbau zu stoppen.

Wenig erfreuliches ist auch aus der Tiebwerksindustrie zu vermelden. Hier droht unter anderem wegen den Verzögerungen beim Eurofighter weiterer Stellenabbau.

Unter den Zulieferunternehmen der Zivilluftfahrt bereitet insbesondere das Projekt „Route 06“ von Airbus große Sorge. Airbus fordert darin von den Zuliefereren weitere massive Preisreduzierungen. Zu befürchten ist eine Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland und der damit verbundene know-how Verlust in Deutschland.

Gesamtkonzept Sicherheit und Landesverteidigung und Heimatschutz

An die Begrüßung durch Andreas Knoll (1. AK-WLR-Sprecher, erste Reihe, Dritter von links) und dem BGT-Betriebsratsvorsitzenden Hans-Joachim Schneider (erste Reihe links aussen) schloss sich ein ebenso informativer wie differenzierter Vortrag des Gastredners und CDU-Parlamentariers Dr. Andreas Schockenhoff, MdB, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag (erste Reihe, Zweiter von rechts, zum Thema „Gesamtkonzept Sicherheit und Landesverteidigung und Heimatschutz“ an.

In den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte Schockenhoff ein Gesamtsicherheitskonzept zur Verzahnung innerer und äußerer Sicherheit, das vielschichtige und diffuse neue Bedrohungen (z.B. terroristische Netzwerke in Verbindung mit Massenvernichtungswaffen, grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, Migration, Staatenzerfall) bewältigen soll.

Zeitgemäße Sicherheitspolitik hat deshalb mehrere Funktionen zu erfüllen. Im Vordergrund steht die doppelte Aufgabe des Schutzes unseres Landes vor islamistischem Extremismus/Terrorismus und dem Schutz vor Kriminalität ebenso wie die enge Zusammenarbeit mit unseren Bündnispartnern und anderen kooperationsbereiten Staaten beim Erhalt und der Festigung des äußeren Friedens. Darüber hinaus muss eine modern ausgerüstete Bundeswehr im Bereich des Heimatschutzes im Inland eingesetzt werden können.

Angesichts des offenkundigen Missverhältnisses zwischen diesem bedrohungsbedingten, umfassenden Sicherheitsverständnis und unabweisbaren Haushaltszwängen, denen auch Investitionen in unsere Sicherheit ausgesetzt sind, kommt es nach Auffassung des Abgeordneten darauf an, europäische Haushaltsansätze im Verteidigungssektor zu bündeln und Gemeinschaftsprojekte gezielt voranzutreiben. Als aktuelle Beispiele nannte er Lufttransport – und betankung sowie Investitionen in Technologien und Produkte für einen effektiven Heimatschutz. Notwendige Beschaffungsprogramme in den Bereichen äußere und innere Sicherheit erforderten konsequente nationale/europäische Ressourcen- und Kompetenzbündelung. Nur ein Europa mit forschungs-und innovationsintensiver wehrtechnischer Industrie bleibe ein relevanter Partner der USA bei der arbeitsteiligen Sicherheitsvorsorge – so Schockenhoff in seinem abschließenden Fazit.

Die lebhafte Aussprache unmittelbar nach dem Vortrag konzentrierte sich thematisch auf Defizite deutsch-französischer Rüstungszusammenarbeit sowie auf die schwache Ausstattung des Investivanteils im deutschen Wehretat.

Werner Reinl (erste Reihe, Zweiter von links), Diehl-Vorstand und Sprecher des Teilkonzerns Diehl VA Systeme mit Hauptsitz in Überlingen, stellte in seinem Vortrag die drei „Geschäftssäulen“ und Kompetenzbereiche – Verteidigungssysteme, Fahrzeugsysteme und Avioniksysteme vor. Highlight seiner Ausführungen bildete die Gründung des neuen Unternehmens Diehl BGT Defence, ein Zusammenschluss der Firmen Bodenseewerk Gerätetechnik und Diehl Munitionssysteme, das am 1. Januar 2005 seine Arbeit aufnehmen wird. Diehl BGT Defence, ein Unternehmen von Diehl VA Systeme, sichert und festigt die Wettbewerbsposition des Teilkonzerns in den angestammten Kompetenzbereichen „Flugkörper“ und „Munition“. Ebenso verleiht die Firmenneugründung der Bedienung der Wachstumsmärk- te Aufklärung, Schutz, Training und Simulation neue Impulse, und fördert den Einstieg in den Markt Heimatschutz und Counter-Terror.

Dezidiert griff Reinl sechs für die Verteidigungswirtschaft relevante Themenbereiche heraus:

  • Das Verhältnis von Personal-, Betriebs- und Investivausgaben im Verteidigungshaushalt, wirft die Frage auf, ob das knappe Geld auch immer richtig ausgegeben wird.
  • Die Finanzierung eines Großteils der Bundeswehr-Auslandseinsätze aus dem Einzelplan 14 schmälert den Spielraum für eine Steigerung des Investivbudgets.
  • Die Europäische Verteidigungsagentur braucht – um handlungsfähig zu sein – eine eigene Budget- und Vergabekompetenz.
  • Bei einer weiteren Absenkung der militärischen F & T-Mittel (ca. 220 Mio. Euro) droht die Innovations-und Kooperationsfähigkeit der deutschen Wehrtechnik verloren zu gehen.
  • Die Wehrtechnik-Industrie benötigt beim Heimatschutz einen nationalen Ansprechpartner, der Verantwortung bündelt und Entscheidungskompetenz inne hat.
  • Eine Harmonisierung der europäischen Rüstungsexport-Richtlinien ist für die Überlebens- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen wehrtechnischen Industrie unerlässlich.