Fragen zur Bundestagswahl – Die Antworten der Partei Freie Demokraten

Bundestagswahl 2017Antworten der Partei
Freie Demokraten

Am Sonntag, 24. September 2017 ist Bundestagswahl.

Wie bei den vergangenen Wahlen möchte der WLR-AK auch dieses mal von den Spitzenkandidaten der demokratischen Parteien wissen, was sie während ihrer möglichen Amtszeit für die Wehrtechnik, die Luft- und Raumfahrt planen. Dazu haben die Mitglieder des WLR-AK Fragen formuliert und in der letzten Mitgliederversmmlung abgestimmt.

Hier können Sie die Antworten auf unsere Fragen nachlesen:

 

Sehr geehrte Damen und Herren des WLR-AK,
haben Sie vielen Dank für die Übermittlung Ihrer Wahlprüfsteine anlässlich der
Bundestagswahl 2017, deren Eingang wir bereits bestätigt hatten.
Wir freuen uns sehr über Ihr Interesse an den Positionen der Freien Demokraten und nehmen zu Ihren Fragen beziehungsweise Forderungen gerne Stellung.
Im Folgenden übermittle ich Ihnen im Namen der Freien Demokraten unsere Antworten:

1. Welche wirtschaftliche und strategische Bedeutung hat nach Ihrer Ansicht die Luft‐ und Raumfahrt und insbesondere die wehrtechnische Industrie für Deutschland?

Wir Freie Demokraten wollen einen starken Standort Deutschland für die Luft- und Raumfahrt. Denn wir nutzen täglich Medien, Informationen, Dienstleistungen und wissenschaftliche Erkenntnisse, die ohne diese Schlüsselindustrie nicht denkbar wären: beispielsweise weil sie von Satelliten gewonnen und übertragen werden. Aber auch viele andere Entdeckungen, die unser Leben heute vielfach erleichtern, sind das Resultat der Grundlagenforschung in Luft- und Raumfahrt. Der Luft- und insbesondere der Raumfahrtindustrie kommt zudem bei der Gestaltung von Industrie 4.0 eine Schlüsselrolle zu. Denn Raumfahrt- und  Satellitentechnologien ermöglichen maßgeblich die digitale Vernetzung. Gezielte Zukunftsinvestitionen in diesen Bereich sind daher eine nachhaltige Stärkung des Wirtschafts- und Hightech-Standorts Deutschland.

2. Welche Maßnahmen werden Sie zur nachhaltigen Sicherung der Technologie und der damit verbundenen Arbeitsplätze in der verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Industrie in der kommenden Legislaturperiode einleiten?

Wir Freie Demokraten wollen mehr europäische Synergien für die Rüstungsentwicklung und -beschaffung. Rüstungsentwicklung und -beschaffung ist nicht nur politisch hochbrisant, sondern auch kostspielig. Um Geld zu sparen und die europäische Partnerschaft zu vertiefen, soll es auch für die Rüstungsindustrie einen funktionierenden Binnenmarkt mit einheitlichen Beschaffungsregeln geben. Auch um die europäische Sicherheitsindustrie zu stärken, befürworten wir auf lange Sicht den Aufbau einer Europäischen Armee unter einem weiterentwickelten Parlamentsvorbehalt unter einem gemeinsamen Oberbefehl und mit einer schrittweise integrierten gemeinsamen militärischen Ausrüstung.

3. Die deutsche wehrtechnische Forschung und Entwicklung ist weltweit anerkannt. Wie werden Sie sicherstellen, dass dieses Wissen künftig gehalten und weiter ausgebaut werden kann?

Wir Freien Demokraten setzen uns dafür ein, dass mehr europäische Synergien bei der Entwicklung und Beschaffung in der Sicherheits- und Verteidigungstechnik erzeugt werden. Durch einen funktionierenden Binnenmarkt und durch die Erleichterung von Forschungs- und Entwicklungs-Investitionen erreichen wir, dass die Attraktivität auch in der wehrtechnischen Forschung am Standort in Deutschland
steigt und das Wissen nicht abwandert. Wir wollen die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Wehrtechnik erhalten.

4. Wie kommt man in Europa zu vergleichbarem Niveau bei Forschung und Technologie, incl. der Höhe von F&T aber auch der möglichen steuerlichen Förderung von F&T, wie es sie in anderen Nationen bereits gibt?

Wir Freie Demokraten wollen eine technologieoffene steuerliche Forschungsförderung einführen. Dadurch sollen die Unternehmen in Deutschland einen bestimmten Prozentsatz ihrer Personalaufwendungen für Forschung und Entwicklung als Steuergutschrift (Forschungsprämie) erhalten. Forschung und Innovationen werden also indirekt über das Steuersystem gefördert. Denn die Stärke
unserer Wirtschaft liegt in der Innovationskraft der Unternehmen, in Spitzentechnologien, -produkten und -dienstleistungen. Und das umso mehr im digitalen Zeitalter. Daher sind FuE-Investitionen entscheidend für die künftige Wettbewerbsfähigkeit und damit Arbeitsplätze und Wohlstand. Viele andere OECD und EU-Mitgliedsstaaten verfügen bereits über dieses Instrument. Auch die
Expertenkommission Forschung und Innovation der Bundesregierung empfiehlt seit Jahren, die steuerliche Forschungsförderung einzuführen. Das wollen wir tun, damit deutsche Unternehmen nicht länger einen Standortnachteil haben. Wir wollen, dass die Forschungsprämie mit der Steuerschuld verrechnet oder – im Verlustfall – als negative Einkommensteuer ausgezahlt wird.

5. Wie stehen Sie zur Verlängerung bzw. Erweiterung des Förderprogramms des BMWi zur Unterstützung von Diversifizierungsstrategien in zivile Sicherheitstechnologien?

Wir Freie Demokraten begrüßen die Exportinitiative „Zivile Sicherheitstechnologien und -dienstleistungen“, weil sie sich an kleine und mittelständische Unternehmen richtet und zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Diversifizierung der deutschen zivilen Sicherheitsindustrie beiträgt. Wir unterstützen eine Verlängerung bzw. Erweiterung des Programms, weil es den Bekanntheitsgrad deutscher Sicherheitsdienstleistungen auf Auslandsmärkten erhöht.

6. Durch Umstrukturierungen, Fusionen und dem daraus resultierenden Personalabbau verlieren die deutschen sicherheits- und wehrtechnischen Unternehmen zunehmend auch Fähigkeiten im komplexen Systemgeschäft. In welcher Weise werden Sie am Innovationsstandort Deutschland die Systemfähigkeiten unserer Betriebe unterstützen und fördern?

Wir Freie Demokraten setzen uns für mehr europäische Synergien bei der Rüstungsentwicklung und Rüstungsbeschaffung ein. Wir wollen die europäischen Partnerschaften auch in diesem Bereich vertiefen und die Nachfrage nach den deutschen Produkten und Dienstleistungen der Sicherheitsindustrie erhöhen. Der European Defence Action Plan, der Europäische Verteidigungsfonds und die
Beschlüsse des Deutsch-Französischen Ministerrates bieten bei konsequenter Projektauswahl und einer entsprechenden Arbeitsteilung (‚work share‘) erhebliche Chancen für die deutsche wehrtechnische Industrie – dafür werden wir Freie Demokraten uns einsetzen.
Darüber hinaus setzt die Wiedererlangung von Systemfähigkeiten die industrielle Technologieführerschaft in Innovationsthemen voraus. Deshalb setzen wir uns für eine technologieoffene und unbürokratische steuerliche Forschungsförderung in Form einer Forschungsprämie ein. Durch eine Einführung eines europaweiten integrierten Beschaffungswesens für militärische Ausrüstung und durch die schrittweise Angleichung bei der Ausbildung und bei Einsatzverfahren erhöht sich auch die industrielle Systemfähigkeit. Dies wirkt sich sowohl auf die europäischen Militärverbände als auch für die Partner der Sicherheitsindustrie positiv aus.

7. Wie kommen wir in Europa zu einem einheitlichen Exportstandard? Eine Beibehaltung des heutigen Status führt zu signifikanten Wettbewerbsnachteilen der Deutschen Industrie.
8. Die Mittel des Bundes für Beschaffungen im wehrtechnischen Bereich sind begrenzt. Daher ist der Export von wehrtechnischen Gütern für die Unternehmen der Branche von existenzieller Bedeutung. Wie werden Sie nachhaltig den Entscheidungsprozess für Exporte verbessern, um die für die Unternehmen notwendige Planbarkeit und Verlässlichkeit sicherzustellen?

Fragen 7 und 8 werden im Zusammenhang beantwortet:

Aus Sicht von uns Freien Demokraten muss mit Blick auf die deutsche und europäische wehrtechnische Industrie grundsätzlich eine Balance zwischen sicherheitspolitischen Erfordernissen und marktwirtschaftlichen Interessen bestehen. Die von uns stets befürwortete Entfaltungsfreiheit für leistungsfähige und innovative Wirtschaftszweige findet aus unserer Sicht daher eine Grenze, wenn sie mit den
Sicherheitsinteressen unserer Bürgerinnen und Bürger nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Der Export von wehrtechnischen Produkten kann einen solchen Fall darstellen. Die derzeitige sicherheitspolitische Lage macht es politisch aus unserer Sicht den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar, Wettbewerbsvorteile im Einzelfall zum Preis weiterer sicherheitspolitischer Risiken zu erkaufen. Zum Umgang
mit Exportstandards haben wir auf nationaler Ebene daher eine klare Linie formuliert: Wir sprechen uns gegen die Lieferung von Wehrmaterial in Krisengebiete aus, um vorhandene Instabilitäten nicht noch zusätzlich zu befeuern. Ein präziser als die heute existierenden Richtlinien formuliertes Rüstungsexportgesetz soll hierzu nach unserer Vorstellung zu höherer Transparenz und verbesserter parlamentarischer Beteiligung von Exportlizenzen führen, wobei die Bundesregierung im Rahmen ihrer exekutiven Kernaufgaben weiterhin in der Verantwortung zu verbleiben hat.
Die sicherheitspolitische Gesamtlage erfordert es jedoch gleichzeitig, mit Blick sowohl auf die innere als auch die äußere Sicherheit Deutschlands und seiner europäischen Nachbarn handlungsfähige staatliche Sicherheitskräfte zu unterhalten, die in der Lage
sind, den derzeit akuten Bedrohungen wirksam entgegen zu treten. Insbesondere im Zuge der laufenden Bemühungen um eine Verbesserung der Fähigkeiten der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU sind höhere Investitionen und ein koordinierter, gemeinsamer Modernisierungsschub in der Ausrüstung eingeleitet worden. Der nicht unnötig komplizierte Export von
hochwertigen wehrtechnischen Produkten aus deutscher Fertigung an unsere demokratisch regierten europäischen, transatlantischen und ggf. weiteren Verbündeten und Partner muss daher im Sinne unserer Sicherheitsinteressen gewährleistet sein und wird unsere Unterstützung finden.
Ein einheitlicher Exportstandard für Ausfuhren aus der EU heraus an Drittstaaten jedoch kann nur im Verhandlungsprozess mit unseren europäischen Partnern entstehen. Uns Freien Demokraten ist hierbei bewusst, dass in diesem Abstimmungsprozess einige unserer Partnerstaaten eine stellenweise wenig zurückhaltende nationale Interessenpolitik verfolgen. Essentiell für die Glaubwürdigkeit der derzeit eingeschlagenen und aus unserer Sicht zu begrüßenden politischen Richtung hin zu einer tieferen europäischen Kooperation in der Sicherheitspolitik ist jedoch, dass in der GSVP einheitlich agierende Staaten nicht zeitgleich in ihrer Rüstungsexportpolitik mit variablen Standards auftreten. Dieses Argument muss mit allem Nachdruck an unsere europäischen Partner herangetragen
und ggf. auch zur Bedingung bei der Abstimmung weiterer konkreter Maßnahmen werden.

9. Bedingt durch die Agenda Rüstung ist es zu Verzögerungen bei der Beauftragung von Rüstungsprojekten gekommen. Wie kann eine erneute Verzögerung in der kommenden Legislaturperiode vermieden werden?

Wir Freie Demokraten setzen uns für eine moderne und einsatzgerecht strukturierte und ausgerüstete Bundeswehr ein. Hierzu gehört ein effektives und transparentes Rüstungsmanagement. In der Bundeswehr und dem BMVg besteht hier nach unserer Sicht weiterer Optimierungsbedarf. Wir erkennen an, dass in der vergangenen Legislaturperiode durch die Agenda Rüstung und die Umstellung des
Planungsprozesses der Bundeswehr – gemessen am Zustand vor ihrer Einführung – erste administrative Verbesserungen sichtbar werden. Gleichwohl ist die Situation noch immer nicht zufriedenstellend, was sich u.a. in bestehenden Verzögerungen bei spezifischen Projekten niederschlägt. Aus unserer Sicht ist daher weiterhin an einer Straffung und Effizienzsteigerung der bürokratischen Strukturen des BMVg und seines nachgeordneten Bereiches zu arbeiten, was erwartbar einen positiven Effekt auf die ministerielle Bearbeitung von Rüstungsprojekten haben wird.

10. Welche konkreten Maßnahmen sollten ergriffen werden, um die Zusammenarbeit innerhalb der NATO zu stärken, insbesondere auch die deutsch-französische Partnerschaft. Ist in diesem Zusammenhang die Vereinbarung eines „Schmidt-Debré-Abkommens 2.0“ denkbar, um sich im Rahmen der Rüstungsexportpolitik zukünftig nicht gegenseitig zu behindern/blockieren (Stichwort „German free“)?

Wir Freie Demokraten bekennen uns zur Einbindung Deutschlands in die NATO und zur konsequenten Förderung der bewährten Kooperation in ihrem Rahmen. Wir begrüßen die unter dem Eindruck der Krim-Annektion wieder zunehmenden Bemühungen der Mitgliedsstaaten um ein leistungsfähiges Verteidigungsbündnis und tragen die Beschlüsse von Wales und Warschau in vollem Umfang mit. Ebenso begrüßen wir die mit dem gemeinsamen Joint Action Plan von 2016 vereinbarten Maßnahmen der EU und der NATO, künftig in konkreten Feldern intensiver zusammenzuarbeiten und gemeinsam zu üben. Wir werden uns für die Beibehaltung und Vertiefung dieses Weges auch weiterhin einsetzen. In beiden Fällen, innerhalb der NATO und auch der EU, kommt der deutsch-französischen Achse als erprobter Verbindung der beiden nach dem Brexit verteidigungspolitisch größten EU-Akteure selbstverständlich eine zentrale Bedeutung zu, weswegen es diese Beziehung weiterhin besonders zu pflegen gilt.
Die Frage der Regelung von Rüstungsexporten stellt jedoch einen Themenkomplex für sich dar, der aus unserer Sicht nicht mit der Funktionalität unserer Bündnisse als solcher vermengt werden sollte. Es steht einerseits außer Frage, dass es angesichts des hervorragenden Rufes des Hochtechnologiestandortes Deutschland kein gutes Zeugnis darstellt, wenn „German free“ in Kreisen bestimmter Kunden zum Qualitätsmerkmal für wehrtechnische Produkte wird. Die unter den derzeitigen Leitung des Auswärtigen Amtes und des Bundeswirtschaftsministeriums praktizierte Art und Weise der administrativen Bearbeitung bestimmter Themenfelder – hier sei
beispielhaft etwa der Umgang mit zur Instandhaltung nach Deutschland rücküberstelltem Wehrmaterial genannt – bedarf sicherlich der kritischen Prüfung. Dies ändert jedoch nichts an dem bereits in den Fragen 7 und 8 thematisierten Umstand, dass mit Blick auf die raumgreifenden Krisen rund um Europa ein strenger politischer Maßstab bei der Vergabe von Exportgenehmigungen für Wehrmaterial
gelten muss.
Inwieweit es in diesem Zusammenhang eines formellen Abkommens zwischen Deutschland und Frankreich analog zum Schmidt-Debré-Abkommen bedarf, kann dabei aus unserer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden. Nahe liegt jedoch, dass es eines etablierten Mechanismus zur gemeinsamen Konsultation und ggf. Konfliktbeilegung unter den europäischen Akteuren in der Rüstung bedarf. Mit Blick auf die derzeitigen Entwicklungen in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist es wahrscheinlich, dass ein solcher nicht auf Deutschland und Frankreich allein beschränkt bleiben, sondern zweckmäßigerweise auch weitere europäische Akteure einbinden sollte.

11. Wie stehen Sie zu den derzeitigen Bemühungen der Europäischen Kommission im Bereich Verteidigung und Sicherheit?

Die weitere Stärkung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU ist im Angesicht der derzeitigen Bedrohungslage und im Sinne einer wirksamen verteidigungspolitischen Reaktion ein wesentliches sicherheitspolitisches Anliegen von uns Freien Demokraten. Wir begrüßen daher nicht nur den seit dem Europäischen Rat vom Dezember 2013 eingeleiteten und mit der Umsetzung der neuen Globalen Stratagie der EU von 2016 weiter beschleunigten Weg hin zu signifikant stärkerer europäischer Zusammenarbeit seitens der EU-Mitgliedsstaaten und des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD). Auch in den jüngsten Bemühungen der EU-Kommission auf diesem Gebiet, namentlich im EU Defence Action Plan und dem Europäischen  Verteidigungsfonds, sehen wir willkommene und sinnvolle Beiträge zur Annäherung an dieses Ziel. Durch die Kommission werden einige Handlungsfelder mit aus heutiger Sicht erheblichem und notwendigem Optimierungspotential – man nehme etwa die europäische  Rüstungsforschung oder die mögliche gemeinsame Beschaffung bzw. den Betrieb komplexer und kostenaufwändiger Systeme – adressiert, die das gemeinschaftliche Streben der Mitgliedsstaaten nach mehr Effektivität und Effizienz in der GVSP gezielt flankieren. Wir werden uns dafür einsetzen, das gegenwärtige und aus unserer Sicht sehr erfreuliche Momentum zu einer sichtbar stärker  europäisch organisierten, gemeinsamen Verteidigungspolitik aufrechtzuerhalten bzw. nach Möglichkeit noch weiter voranzutreiben.

12. Welche nationalen Ziele verfolgen Sie bei der Konsolidierung der europäischen Industrie für Verteidigung und Sicherheit? Kann mit aktiver Unterstützung von Ihrer Seite gerechnet werden?

Die Sicherstellung freier Handlungsspielräume für innovative und leistungsfähige deutsche Wirtschaftszweige ist ein generelles Kernanliegen von uns Freien Demokraten. Vor dem Hintergrund der beabsichtigten stärkeren Europäisierung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik stellt die wehrtechnische Industrie generell jedoch einen gewissen Sonderfall dar: Die Fokussierung hin zu einer stärker integrierten und damit insgesamt effektiveren und effizienteren gemeinsamen Verteidigungspolitik der europäischen Staaten bedarf der Orientierung an Zielvorstellungen, die über die Definition „nationaler Ziele“ hinausgehen und auch das gesamteuropäische Ziel als wesentliche Richtmarke etablieren.
Mit der Globalen Strategie und ihrem zugehörigen Implementationsplan für Sicherheit und Verteidigung existieren seit dem Jahr 2016 im europäischen Konsens erarbeitete Zielvorstellungen, die Struktur und generellen Bedarf der nationalen europäischen Streitkräfte zukünftig mitbestimmen werden. Das deutsche Weißbuch 2016, das absehbar auch in den nächsten Jahren seine Gültigkeit behalten wird, trägt diesem Umstand Rechnung und bringt europäische und deutsche Sicherheitsinteressen in Übereinstimmung. Aus Sicht von uns Freien Demokraten ist diese Ausrichtung richtig und zu begrüßen.
Die Konsolidierung der europäischen Verteidigungsindustrie – entlang der Vorhaben der Körbe 2 und 3 des Europäischen Rates vom Dezember 2013 ebenso wie des Defence Action Plans der EU-Kommission – dient dem gesamteuropäischen Ziel der Verfügbarkeit bedrohungsangepasster, moderner und ausgereifter wehrtechnischer Produkte für die Streitkräfte in der Union. Für die leistungsfähige wehrtechnische Industrie Deutschlands bedeutet dies eine aussichtsreiche Chance zum Angebot hochwertiger Erzeugnisse, die wir gern unterstützen wollen. Gleichwohl widerspräche generell eine etwaige nationalpolitisch motivierte Privilegierung bestimmter Anbieter dem Gedanken einer Bestlösung im europäischen Sinne ebenso wie marktwirtschaftlichen Grundprinzipien. Der hohe Qualitätsstandard und die Weltgeltung deutscher Industrieerzeugnisse stimmen uns jedoch zuversichtlich, dass es auch in einem noch stärker  gesamteuropäisch aufgestellten wehrtechnischen Sektor ausreichend Spielraum zur nationalen Wertschöpfung geben wird.

13. Wie stellen Sie sicher, dass auch in Zukunft das Know-how in Deutschland zur erhalten bleibt, insbesondere, wenn man die Langlebigkeit der wehrtechnischen Produkte betrachtet? Beispielsweise auf diesen Gebieten:
Instandhaltung/Wartung
Obsoleszenzbeseitigung
Kampfwertsteigerung

In den vergangenen Jahren wurden in der deutschen Verteidigungspolitik aus Gründen vordergründiger Kostenersparnis weit weniger Mittel für die Instandhaltung und Kampfwerterhaltung bzw. -steigerung der Waffensysteme der Bundeswehr aufgewandt als geboten gewesen wäre. Dies hat wesentlich zu den heute im Bereich der Einsatzbereitschaft bestehenden, pressebekannten Schwierigkeiten in der Bundeswehr beigetragen. In bestimmten Bereichen verfügt die Bundeswehr zudem nicht mehr, wie noch in den 2000er Jahren, querschnittlich über die jeweils leistungsfähigsten marktverfügbaren Rüststände bei spezifischen Spitzenprodukten. Dieser Zustand ist aus unserer Sicht nicht weiter hinnehmbar. Die Sicherstellung der Erhaltung des Know-Hows in Deutschland, gerade auch bei der langfristigen Betrachtung, ist daher aus unserer Sicht zunächst an die notwendige weitere Straffung des Rüstungs- und  Materialmanagements der Bundeswehr gekoppelt (vgl. Frage 9). Wir werden uns dafür einsetzen, die Bundeswehr in Gänze mit  moderner und auftragsgerechter Ausrüstung auszustatten, wozu auch eine mit Blick auf die sicherheitspolitische Bedrohungslage adäquate Ersatzteilhaltung und ein Instandhaltungsmanagement, das nicht zu langen Vakanzen in der Truppe führt, gehören. Hier besteht aus unserer Sicht großes und andauerndes Potential für die deutsche wehrtechnische Industrie mit Blick auf die zahlreichen neuen, derzeit in der Bundeswehr in Einführung befindlichen Waffensysteme aus überwiegend deutscher Produktion. Auch die bereits in den Fragen 11 und 12 angesprochene Stärkung der GSVP der EU wird aus unserer Sicht einen positiven Effekt haben, da sich hier neue
Spielräume für eine noch tiefere Kooperation mit weiteren europäischen Partnernationen eröffnen, die vielfach Wehrmaterial aus  deutscher Fertigung nutzen.

Lassen Sie uns dazu auch nach der Bundestagswahl im Gespräch bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Nicola Beer MdL
Staatsministerin a.D.
Generalsekretärin
Freie Demokratische Partei
Hans-Dietrich-Genscher-Haus
Reinhardtstraße 14, 10117 Berlin