Wie auch bei den vergangenen Wahlen wollte der WLR-AK von den Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der demokratischen Parteien wissen, was sie während ihrer möglichen Amtszeit für die Wehrtechnik, die Luft- und Raumfahrt planen. Die angebotene Möglichkeit Fragen über sogenannte Wahlprüfsteine einzureichen haben wir genutzt und bereits einige Antworten erhalten.
Wir bedanken uns bei den Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der Parteien für die Beantwortung unserer Fragen zur Bundestagswahl 2021.
Antworten der Partei DIE LINKE auf die eingereichten Wahlprüfsteine
1. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie insbesondere die Realisierung von Großvorhaben und eine entsprechende überjährige Finanzierung sicherstellen, um den Rüstungsprozess für alle Beteiligten planbar und verlässlich zu gestalten? Welche Priorität hat die Bündnis- und Landesverteidigung in Ihrem Wahlprogramm in der kommenden Legislaturperiode unter Berücksichtigung des COVID geschwächten Budget?
Wegen des inneren Zusammenhangs werden Fragen 1. und 2. gemeinsam beantwortet: Die LINKE geht von einem anderen Sicherheitsverständnis aus als die derzeitige Bundesregierung, da wir der Überzeugung sind, dass die Sicherheit der Bundesrepublik nicht vorrangig durch militärische Abschreckung, sondern durch die Schaffung von gegenseitiger Sicherheit durch Dialog und Interessenausgleich zwischen den internationalen Akteuren hergestellt werden muss. Aus diesem Grunde misst die Linke der Realisierung von Großvorhaben im Bereich Rüstung nur insoweit Relevanz zu, als sie der Sicherstellung des eigentlichen grundgesetzlichen Auftrags der Bundeswehr, der territorialen Landesverteidigung, dienen. Eine ganze Reihe von Rüstungsgroßvorhaben wird insbesondere nach 2014 jedoch explizit mit einer Zwecksetzung auf den Weg gebracht, die diese eigentliche Aufgabenstellung weit übersteigt (z.B. das neue Los zur Bestellung von PUMAs mit explizitem Verweis auf die VJTF-Formationen der NATO). Die Fortführung solcher Rüstungsgroßprojekte lehnt die LINKE daher entschieden ab. Sie orientiert stattdessen auf eine Agenda Abrüstung, in deren Rahmen auch eine teilweise Umwidmung der bei solchen Großprojekten eingesparten Mittel für den mangelhaften Materialerhalt bei vorhandenen Systemen möglich wird.
2. Neben vielfältigen Einsätzen u. Bündnisverpflichtungen sind unsere Soldaten durch humanitäre Einsätze gefordert. Es sind dringend Verbesserungen der personellen und materiellen Ausstattung der Bundeswehr notwendig. Wie lösen Sie das Problem im Sinne der Bundeswehr aber auch monetär?
In der Tat hat die Corona-Krise gezeigt, dass die Infrastruktur der staatlichen Strukturen des Zivilschutzes zur Vorsorge und zum Einsatz bei Unglücksfällen oder Katastrophenfällen unzureichend aufgestellt ist. Hier hat die Bundeswehr im Rahmen der Amtshilfe einen wichtigen Beitrag zur Linderung der Situation erbracht. Daraus ist jedoch nicht die Schlussfolgerung zu ziehen, die Bundeswehr auch in Zukunft für solche Einsätze heranzuziehen – dafür sind ihre Soldatinnen und Soldaten weder zuständig noch ausgebildet. Vielmehr müssen Einrichtungen wie das THW, die Bereitschaftsdienste des öffentlichen Gesundheitssystems und die Gesundheitsämter so finanziell ausgestattet werden, dass diese Strukturen einen solchen oder ähnlichen Krisenfall in der Zukunft selbst bewältigen können. Aus diesem Grunde sprechen wir uns für eine substantielle Steigerung der Budgets für diese Strukturen aus, und fordern ein Ende der Privatisierungen im Gesundheitswesen, um Möglichkeiten und Kapazitäten zur Vorsorge zu schaffen.
3. Vor allem mittelständische Firmen aus Wehrtechnik, Luft u. Raumfahrt halten ein wertvolles Knowhow und ganz spezielle Kompetenzen vor. Sie sind im Zulieferbereich tätig aber auch in ganz besonderen Technologiefeldern. Welchen Stellenwert würden Sie dieser Branche beimessen?
Luft- und Raumfahrt sind auch für uns wichtige und zukunftsrelevante Branchen. Wir setzen uns stets dafür ein, dass die deutschen Standorte der Luft- und Raumfahrt gut aufgestellt sind und sichere Arbeitsplätze bieten. Eine wichtige Aufgabe ist dabei die schrittweise Umstellung der Flugzeug-Antriebssysteme im Sinne geringerer Emissionen von Treibhausgasen. Die Wehrtechnik sollte sich grundsätzlich gemäß den Geboten des Grundgesetzes entwickeln und sich deshalb an den Aufgaben der Landesverteidigung orientieren.
4. Wie stehen Sie zu wehrtechnischen Entwicklungsvorhaben? Fertiges im Ausland kaufen oder in Deutschland entwickeln? Ist der Preis die oberste Priorität oder die deutsche Souveränität?
Die gemäß Verfassungsauftrag notwendigen Ausrüstungen der Bundeswehr sollten primär aus eigener, inländischer Produktion stammen. Zu den Kriterien der Beschaffung gehören sowohl der Preis als auch die deutsche Souveränität.
5. Wie stehen Sie zu den aktuellen und zukünftigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr und wie sehen Sie hier die internationale Verantwortung, auch hinsichtlich der Nato-Verpflichtungen, sich daran zu beteiligen?
Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan dauerte genau 20 Jahre, er kostete über 12 Mrd. Euro Steuergelder. Mehrere zehntausend Zivilisten wurden in dieser Zeit getötet, auch 59 Soldaten der Bundeswehr starben dort. Das Ergebnis der Intervention der NATO-Staaten in Afghanistan ist die Rückkehr der Gruppierung, die die NATO seit 2001 am erbittertsten bekämpft hat, an die Macht. Die LINKE hat immer darauf hingewiesen, dass sich die Konflikte in Ländern des globalen Südens nie durch militärische Mittel lösen lassen, und dass der Einsatz von Militär im Gegenteil selbst nur zur Verschärfung dieser Konflikte beiträgt. Das Scheitern in Afghanistan, auch die aktuellen Entwicklungen in Mali, geben uns leider recht. Auch die Präsenz der Bundeswehr bspw. in Litauen trägt nur zur weiteren Verhärtung der Konstellation NATO-Russland bei. Die LINKE bleibt dabei, dass die Bundeswehr zu ihrer originären Aufgabe, der territorialen Landesverteidigung, zurückkehren muss. Deutschlands internationale Verantwortung besteht gerade eingedenk der Erfolge der Entspannungspolitik in den 70er und 80er Jahren in Diplomatie, Dialog, Vertrauensbildung und Abrüstung, und im Kampf für mehr globale Gerechtigkeit, um die wahren Ursachen der Konflikte im Süden – wirtschaftliche Ausbeutung, Unterentwicklung und Armut – nachhaltig zu bekämpfen.
6. Deutschland ist das Land der Denker und Entwickler. Diese Fähigkeit ist weltweit anerkannt. Wie werden Sie sicherstellen, dass diese Fähigkeit/Wissen (u.a. auch in vielen Instituten wie Fraunhofer oder DLR vorhanden) künftig gehalten und weiter ausgebaut werden kann?
Deutschland hat eine exzellente Infrastruktur wirtschaftsnaher Forschung und Entwicklung. DIE LINKE unterstützt die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der entsprechenden Institutionen. Falsch ist aus unserer Sicht, dass die öffentliche FuE-Förderung zu sehr auf den Bedarf der exportorientierten Großunternehmen zugeschnitten ist. Wir fordern im Unterschied dazu eine deutlich stärkere KMU-Orientierung der Forschungsförderung. Außerdem sollten Programme öffentlicher Förderbanken wie der KfW und insbesondere von KfW Capital sich stärker den marktnahen Innovationsstufen zuwenden. Außerdem wollen wir den Hightech-Gründerfonds stärken und die Firmengründung in Folge von praxisnahen Forschungsprojekten an Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen erleichtern.
7. Nicht erst seit der Corona-Pandemie wurde die Automobilindustrie mit Konjunkturprogrammen gefördert. In der Luftfahrtindustrie war vergleichbares nur über die Lufthansa zu lesen. Wie werden Sie diesen nicht nur zivilen Industriezweig in Deutschland wieder stärken und ihn damit dauerhaft sichern?
Angesichts der bisherigen, insgesamt sehr positiven Erfahrungen mit Corona-Impfungen gehen wir davon aus, dass die Pandemie bald der Vergangenheit angehören wird. Deshalb ist die Hoffnung berechtigt, dass auch der Luftverkehr bald wieder halbwegs normal funktionieren wird. Mittel- und langfristig wird es darauf ankommen, dass die Luftfahrtindustrie den Herausforderungen des Klimawandels gerecht wird und neue Antriebstechnologen entwickelt und zur Anwendung bringt.